Seit 1. April 2013 sitzt er auf dem Chef-Sessel einer der wichtigsten Städte im Aargau: Geri Müller, der neue Stadtammann von Baden, der sich in zwei Wahlgängen gegen seine politischen Gegner behauptet hat und sich dabei auch gegen einige persönliche Angriffe auf seine Person erwehren musste. Mittlerweile ist das alles Schnee von gestern. Geri Müller ist im Amt, fühlt sich in seiner neuen Rolle pudelwohl und hat mit Baden grosse Pläne...
Ich treffe den frisch-gebackenen Stadtammann von Baden in seinem Büro im Stadthaus - er kommt gerade von einer Sitzung auswärts. Weisses Hemd, die zwei oberste Knöpfe offen, die Ärmel leicht nach oben gekrempelt. Das Jacket hat er kurz zuvor über die Lehne eines Stuhls gehängt. Geri Müller wirkt frisch, entspannt, locker. Keine Anzeichen von Stress. "Ich fühle mich in meinem neuen Amt sehr wohl", meint er. Sein Sohn habe ihm vor kurzem sogar gesagt, dass er es toll fände, dass er nun Stadtammann sei. Er habe nun viel mehr Zeit... "Das bezieht sich natürlich vor allem darauf, dass ich zuvor viel mehr Mandate hatte und viel unterwegs war," erklärt er lächelnd. "Ich sass in unzähligen Kommissionen im In- und Ausland. Entsprechend war ich viel weg von zu Hause. Als Stadtammann fällt da Vieles weg." Dennoch: der Tag des neuen Stadtvaters beginnt früh, normalerweise ist er um 6h im Büro, um in Ruhe alles vorbereiten zu können. Gegen acht Uhr setzt er sich gerne in ein Kaffee, hört den Menschen zu und befasst sich mit ihrem Alltag.
Geri Müller hat nach seiner Wahl zu Badens Stadtammann zahlreiche Mandate abgegeben, um sich voll auf seine neue Herausforderung konzentrieren zu können. Dennoch: Auch als Stadtammann ist Geri Müller viel unterwegs. Sitzung hier, Sitzung da, Business Lunch und und und... 100 Termine, Sitzungen und Gespräche hat seine Assistentin Astrid Thommen in den letzten drei Wochen in seine Agenda eingetragen. Jeweils drei bis vier Mal pro Woche ist Geri Müller auch abends unterwegs: an Veranstaltungen, an denen die Anwesenheit des Stadtvaters Pflicht ist.
Die Querelen während des Wahlkampfes, als einige politische Gegner direkt auf den Mann gespielt haben, um die Wahl eines Grünen zum Stadtammann zu verhindern, haben keinerlei Spuren hinterlassen. "Das liegt alles hinter mir", meint Geri Müller souverän, und darauf will er auch nicht mehr zurückkommen." Nur soviel: einige seien nach seiner Wahl auf ihn zugekommen, die zuvor skeptisch gewesen waren - und ihn auch nicht gewählt hätten - und nun zur Überzeugung gekommen sind, "dass ich offensichtlich einen guten Job mache. Das waren sehr berührende Begegnungen."
Geri Müller, Sie scheinen sich in Ihrem Amt gefunden zu haben und fühlen sich offensichtlich wohl. Was sind Ihre ersten Eindrücke im neuen Job?
Ich habe mich tatsächlich sehr schnell eingelebt und fühle mich wohl. Ich habe ja zuvor als Vize-Ammann einen Einblick erhalten, wie spannend diese Aufgabe ist. In den letzten Jahren - unter der Ägide meiner Vorgänger - ist schon viel passiert und wurde viel bewegt. Aber Baden bietet auch weiterhin viel Potential und Gestaltungsmöglichkeiten, das ist unheimlich faszinierend. Hier gibt es kreative Leute à discretion, die möchte ich in Zukunft noch mehr einbinden, zum Wohl und der Entwicklung der Stadt Baden.
Was ist denn an Baden anders als bei anderen Städten?
Die Heterogenität der Bevölkerung. Trotzdem sind in Baden fremdenfeindliche Diskussionen kaum ein Thema. Meines Wissens haben wir in Baden 92 verschiedene Nationalitäten, entsprechend auch viele unterschiedliche Kulturen. Aber sie sind keine „Aus-Länder“. Es sind Menschen, die hier in dieser Stadt, sich wohlfühlen im Kreis der anderen, jeder will seine Ideen einbringen und einen Beitrag zu "seiner" Stadt Baden leisten. Das beste Beispiel dafür ist jeweils das Stadtfest und die Badenfahrt.
Wo will der neue Grüne Ammann denn hin mit seiner Stadt?
Baden hat seit Jahrhunderten eine historische Zentrumsfunktion. Das ist bis heute so geblieben. Ich bin überzeugt, dass dies auch in Zukunft so sein wird.
Geri Müller: "Wir sollten mutig fusionieren"
Was heisst das konkret?
Dass die Leistungen in Zukunft noch mehr zusammengefasst werden. Kleine Gemeinden können über kurz oder lang ihre eigene Infrastruktur nicht aufrecht erhalten. Wenn Baden dort Leistungen anbietet (Polizei, Jugendarbeit, Soziales etc.) verlieren diese immer mehr an Mitbestimmung, was zu einem Gefälle führt. Wir sollten beginnen, alles in grösseren Zusammenhängen und weniger innerhalb der eigenen bescheidenen Grenzen zu sehen. Wieso soll es nicht möglich sein, dass z.B. eine grosse Feuerwehr-Organisation nicht auch in benachbarte Gemeinden ausrückt? Oder in Sachen Sport: alle beklagen sich, dass sie in ihren Gemeinden zu wenig Platz haben, um ihren Hobbies nachzugehen. Aber vielleicht hat es in einer anderen Gemeinde genügend Raum, dieser wird nur ungleich genutzt.
Das klingt nach Gross-Baden...
Jain... Wir arbeiten, wohnen und verbringen unsere Freizeit im Quartier, in dem wir leben. Dort fühlen wir uns richtig zu Hause. Wir arbeiten aber oft ganz woanders, vielleicht in der Nachbargemeinde, dort können wir aber nicht mitbestimmen. Daran soll sich grundsätzlich nichts ändern. Wir sollten mutig fusionieren und auf der anderen Seite die Quartiermitbestimmung stärken.
Auch in der Kultur?
Auf alle Fälle. Andere Gemeinden haben sehr gute Kultur-Angebote. Aktuelle gibt es aber keinen Steuer-Mechanismus. Hier könnten wir im beratenden und auch marketingmässigen Sinn tätig sein, damit die an und für sich guten Programme von mehr Leuten besucht werden. Es geht auch hier um den Spielraum, den man noch vermehrt und verbessert ausnutzen sollte.
Geri Müller, der Mann der Fusionen?
Es geht mir darum, Grenzen des Denken aufzubrechen und zu versuchen, neue Wege zu gehen. Nach den Gesprächen rund um den geplanten Zusammenschluss von Neuenhof und Baden gab es unzählige Gespräche zwischen den beiden Gemeinden. Alle fanden auf Augenhöhe statt, das war wichtig - und so soll es auch in Zukunft sein. Ich bin nicht der Kapitän, der allen sagt, wie etwas funktioniert. Ich möchte vielmehr Diskussionen anreissen und Auseinandersetzungen und Konflikte lösen. Ich will die Fusionsarbeiten weiter vorantreiben, weil ich überzeugt bin, dass dies der richtige Weg ist. Wenn es darum geht, multi-kulturelle Diskussionen anzureissen und dafür zu sorgen, dass verschiedenen Menschen-Gruppen zusammenarbeiten können, ohne dabei ihre Identität zu verlieren, dann bin ich genau der Richtige...!
Als Stadtammann müssen Sie aber schon auch Kapitän sein und Ihre Befehle der Mannschaft klar zu verstehen geben...
Natürlich. Aber erst am Schluss eines Prozesses, nachdem ich alle Meinungen gehört habe. Sonst laufe ich Gefahr, dass ich eine wichtige Stimme verpasse. In meinem Leben habe ich sehr viel von sogenannt "schrägen Menschen" und ihren verqueren Meinungen und Ansichten gelernt. Ich bin selber auch etwas "schräg", das bringt viel Bewegung... Demokratie muss immer einschliessend sein, nie aussschliessend.
Baden ist ein Magnet mit grosser Ausstrahlungskraft. Das zeigt sich auch im Trafo Baden, das Jahr für Jahr mehr Menschen für Seminare, Tagungen, Galas oder kulturelle Veranstaltungen anlockt. Wo sehen Sie das Trafo in ein paar Jahren?
Das „Trafo“ trägt die Transformation, die ich mit Baden anstrebe, ja schon im Namen. Das Trafo ist sehr wichtig für Baden. Ich war dort selber an unzähligen Events. Es ist ein perfekter Ort für alle Arten von Veranstaltungen. Top-Qualität der Räumlichkeiten, hervorragendes Essen, einzigartige Erreichbarkeit. Aber schon seit Jahren ist klar, dass ein Kongresszentrum ohne zusätzliche Hotel-Anbindung über kurz oder lang nicht konkurrenzfähig ist. Deshalb ist die Weiterentwicklung mit dem "Trafo 2" und dem Hotel mit den geplanten 80 Zimmern der längst fällige, richtige und wichtige Schritt in eine erfolgreiche Zukunft. Für das Trafo, aber auch für Baden als Ort der Versammlungen, der Begegnungen und des Austausches. Es ist aber wichtig zu wissen, dass es noch weitere, sehr unterschiedliche Transformationsstätten in Baden gibt. Baden ist eben auch Vielfalt.
Inwiefern werden oder wollen Sie diese Transformation, die das Trafo mit der aktuellen Erweiterung gerade vollzieht, auch von der Stadt aus unterstützen und fördern?
Der wichtigste Schritt ist nun, die Weiterentwicklungsarbeiten voran zu treiben. Da sind wir ja gut unterwegs und die Stadt unterstützt diesen Weg auch schon seit einiger Zeit. Ich habe zahlreiche Kontakte auf nationaler und internationaler Ebene, mit denen ich auch für Tagungen in Baden werben kann. Ich kann so die Stadt und deren Vorzüge auch einbringen.